Donnerstag, 15. Oktober 2015

Die Gesetzgebungsmaschine ist angeworfen worden. Das "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz" ist durch den Bundestag. Es wird wahrscheinlich nicht alleine bleiben

Das "Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz" wurde heute im Bundestag mit der Stimmenmehrheit der Großen Koalition beschlossen. Bundestag verschärft das Asylrecht, so eine der Überschriften dazu in den Medien:

»Das umfangreiche Gesetz aus dem Bundesinnenministerium hat zum Ziel, Asylverfahren zu beschleunigen und dafür zu sorgen, dass abgelehnte Asylbewerber das Land schneller verlassen als bislang. Dazu sind unter anderem Verschärfungen bei Abschiebungen und Einschränkungen bei den Sozialleistungen vorgesehen.
So sollen künftig wieder verstärkt Sachleistungen statt Bargeld ausgegeben werden. Abgelehnte Asylbewerber, die sich einer Ausreise verweigern, sollen gar keine Sozialleistungen mehr erhalten. Auf der anderen Seite sieht das Gesetz mehr Integrationsangebote für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive vor. Unter anderem sollen die Sprachkurse für Asylbewerber geöffnet werden.
Ein ebenfalls beschlossenes Gesetz aus dem Bundesfamilienministerium soll für eine Verbesserung der Lage minderjähriger Flüchtlinge sorgen. Unter anderem ist vorgesehen, dass künftig alle Länder unbegleitete Minderjährige aufnehmen müssen.«

Auf der Seite des Bundestags findet man die folgende Zusammenfassung:

»Mit der Mehrheit von CDU/CSU und SPD hat der Bundestag am 15. Oktober für das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz (18/6385, 18/6386) gestimmt. In namentlicher Abstimmung votierten die Abgeordneten mit 475 Stimmen für und 68 Stimmen gegen den Entwurf bei 56 Enthaltungen. Mit dem Beschluss soll unter anderem die Beschleunigung von Asylverfahren nicht schutzbedürftiger Personen sowie der Ersatz von Geldleistungen durch Sachleistungen erreicht werden ... Für einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher (18/5921, 18/6289) stimmte die Mehrheit des Plenums auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Familienausschusses (18/6392). Abgelehnt wurden hingegen Anträge der Linken (18/4185) und Grünen (18/5932) zur Versorgung unbegleiteter minderjähriger Jugendlicher. Ebenfalls keine Mehrheit fand ein Antrag der Fraktion Die Linke für einen grundlegenden Wandel in der Asylpolitik (18/3839). Zudem wurde ein Antrag der Linksfraktion gegen eine Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung (18/6190) abgelehnt. Ein von den Grünen vorgelegter Antrag zur fairen finanziellen Verantwortungsverteilung bei der Aufnahme und Versorgung von Flüchtlingen (18/4694) konnte sich ebenfalls nicht durchsetzen.«

Natürlich gibt es auch kritische Stimmen zu dem, was da heute beschlossen wurde. Stellvertretend dafür der Beitrag Rolle rückwärts: Die binäre Logik des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes der Gemeinnützigen Gesellschaft zur Unterstützung Asylsuchender (GGUA). Darin der folgende Passus:

»Das so genannte „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz“, das bereits zum 1. November in Kraft treten soll, sieht gravierende Verschärfungen und Verschlechterungen für Asylsuchende vor. So sollen Montenegro, Albanien und Kosovo zu „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden. Menschen aus „sicheren Herkunftsstaaten“ sollen einer unbefristeten Lagerpflicht und einem unbefristeten Arbeitsverbot unterliegen. Sozialleistungen sollen in vielen Fällen unter das Existenzminimum gekürzt und häufig nur noch als Sachleistungen ausgegeben werden.
Die GGUA Flüchtlingshilfe hat am 12. Oktober als Sachverständige im Bundestags-Innenausschuss ihre Position darstellen können. In der Stellungnahme heißt es: „Statt Asylverfahren zu beschleunigen, hat der Entwurf vorrangig das Ziel, die Integration und Teilhabe großer Flüchtlingsgruppen gesetzlich zu verhindern. Mit dem Vorhaben sollen die Betroffenen sozial in weiten Teilen entrechtet werden – das Ausländerrecht soll mit einer umfassenden sozialen Exklusion und Isolation flankiert werden. Dabei spielt die Frage nach integrations- und sozialpolitischer Sinnhaftigkeit ebenso wenig eine Rolle wie die offensichtliche Verfassungswidrigkeit einiger Regelungen."«

Allerdings sollt man nicht annehmen, dass mit dem Beschleunigungsgesetz nun Ruhe eintreten wird. Zu erwarten ist noch in diesem Jahr ein weiteres Paket mit gesetzlichen Änderungen, beispielsweise wenn man wirklich das "Transitzonen"-Modell zum Leben erwecken will.
Und auch von anderer Seite kommen weitergehende Forderungen nach substanziellen Eingriffen. So findet man in dem Artikel Bundestag verschärft das Asylrecht folgenden Hinweis:

»Landkreistag fordert Einschränkung des Asylrechts: In der Debatte um eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen haben Kommunen jetzt auch eine Beschneidung des Asylrechts im Grundgesetz gefordert. Eine Änderung des Asylgrundrechts dürfe kein Tabu mehr sein, erklärten Landkreistag-Präsident Reinhard Sager und der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands, Hans-Günter Henneke, am Donnerstag in Berlin. Die Bundesregierung lehnt bislang eine Einschränkung des Asylrechts in der Verfassung klar ab.
Konkret schlägt der Deutsche Landkreistag vor, Menschen aus sicheren Herkunftsländern vom Geltungsbereich des grundgesetzlich zugesicherten Rechts auf Asyl auszunehmen. Da diese Antragsteller schon heute „faktisch niemals“ als Asylberechtigte anerkannt werden, „wird das Asylgrundrecht durch einen solchen Schritt in seiner Substanz nicht berührt“, heißt es in einem Positionspapier. Asylbewerber aus Staaten, die als sicher eingestuft wurden, könnten sich dann nicht mehr auf das Asylrecht berufen.«
Das wird nicht der einzige Vorschlag bleiben.