Mittwoch, 13. April 2016

Immer weniger neue Ausbildungsverträge. Das duale Berufsausbildungssystem verliert weiter an Boden


Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge geht weiter zurück. Darüber berichtet das Statistische Bundesamtes: 0,4 % weniger neue Ausbildungs­verträge im Jahr 2015.
Im Jahr 2015 haben nach Angaben der Bundesstatistiker rund 516.200 junge Menschen in Deutschland einen neuen Ausbildungsvertrag im Rahmen des dualen Systems abgeschlossen. Der schon in den Vorjahren beobachtete rückläufige Trend ist maßgeblich auf die demografische Entwicklung in der für die duale Ausbildung typischen Altersgruppe sowie auf eine höhere Studierneigung bei den Schulabsolventen mit Hochschulreife zurückzuführen. Insgesamt befanden sich am 31. Dezember 2015 nach vorläufigen Ergebnissen etwa 1,34 Millionen Jugendliche in einer Ausbildung im dualen System. Das waren 1,6 % oder 22.400 weniger als im Jahr 2014.

Damit setzt sich der seit Jahren beobachtbare Sinkflug bei den tatsächlich abgeschlossenen Ausbildungsverträgen fort.


Seit 2007 sehen wir in den Daten einen Rückgang der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge. Das hat natürlich vielfältige Gründe.

In der Vergangenheit war das Ausbildungssystem vor das Problem gestellt, dass es „zu viele“ junge Leute gab, die sich auf „zu wenige“ Ausbildungsplätze bewerben mussten. Das waren die goldenen Jahre der Arbeitgeber, die sich aus einem großen Fundus an Bewerbungen die für sie passenden Personen heraussuchen konnten, was nicht ohne Folgewirkungen blieb: Immer größer und immer höher wurden die Erwartungen und Anforderungen an die jungen Menschen, die eine Berufsausbildung in dualen System absolvieren wollten bzw. mussten. Es gab ja schlichtweg genügend junge Menschen, die sich auf eine Ausbildungsstelle beworben haben, so dass man die Auswahlkriterien entsprechend nach oben schieben konnte, mit der Folge allerdings, dass zahlreiche junge Menschen vom Zugang zu einer Ausbildung abgeschnitten wurden.


Und nicht selten – gleichsam als Ironie des Schicksals – haben sich viele Unternehmen mit dem ständigen Upgrading der Anforderungen an ihre Auszubildenden selbst ins Knie geschossen, denn: Ein Teil der Ausbildungsabbruchquoten ist mit der Überforderung vieler Auszubildender zu erklären, die nicht selten vor allem den kognitiven Anforderungserhöhungen nicht gewachsen waren und sind und das gleichzeitig angesichts der Tatsache, dass oftmals in der Realität der Arbeit viele Theoriebestandteile gar nicht oder nur sehr eingeschränkt abgerufen werden. Hinzu kommt: Ob nun bewusst oder unbewusst, auf alle Fälle hat die zur Verfügung stehende große Zahl an gut qualifizierten Schulabsolventen dazu geführt, dass nicht nur die kognitiven Erwartungen und Ansprüche an die Auszubildenden beständig nach oben getrieben wurden, sondern auch die Ansprüche an Sozialkompetenz und „Umgangsreife“. Dies hat zum einen zu einer permanenten Unzufriedenheit mit der so genannten „Ausbildungsreife“ der jungen Menschen bei den Arbeitgebern geführt, zum anderen aber auch zu einem neuen Problem, das in den aktuellen Zeiten mit stark rückläufigen potentiellen Azubi-Zahlen zum Durchbruch gelangt, denn nunmehr ist man (eigentlich) darauf angewiesen, auch so genannte „leistungsschwächere“ Jugendliche für eine Ausbildung zu gewinnen, also alle die, die bislang nicht einmal in die Nähe eines Vorstellungsgesprächs gekommen wären. Dann muss man aber von den in der Vergangenheit geprägten hohen Erwartungen durch das Überangebot wieder runter, was an sich natürlich keine einfache Leistung ist.


Dabei wäre aber zu berücksichtigen, dass viele Berufsbilder mittlerweile einen Anforderungsgrad erreicht haben, der es vielen Unternehmen auch bei gutem Willen nicht ermöglicht, die Anforderungen an die potentiellen Auszubildenden deutlich nach unten abzusenken, nur um den Bewerbern und ihren möglichen Defiziten entgegen zu kommen.

Ein anderer Teil der Firmen wird zumindestens in bestimmten Qualifikationsbereichen versuchen, die bislang über eine klassische duale Berufsausbildung rekrutierten Fachkräfte zu substituieren über Hochschulabsolventen mit einem Bachelor-Abschluss. Dies bietet sich beispielsweise im kaufmännischen Bereich an.

Eine weitere Gruppe an Unternehmen wird angesichts der Rekrutierungsprobleme in den kommenden Jahren ganz auf das Angebot einer Berufsausbildung verzichten.