Samstag, 12. September 2015

Flüchtlingsbetreuung sticht Mindestlohn-Kontrolle. Der Zoll muss umverteilen - und es trifft vor allem die Mindestlohn-Kontrolleure

Um die vielen Flüchtlingen zu betreuen, zieht der Zoll Personal von anderen Abteilungen ab. Und wer ist besonders davon betroffen? Die Mindestlohn-Kontrolleure. So der Artikel Mindestlohn-Kontrolleure für Flüchtlingsbetreuung abgezogen.
"Hunderte Beschäftigte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit von den bitter nötigen Mindestlohnkontrollen abzuziehen, ist kontraproduktiv und kommt einer Einladung an die schwarzen Schafe unter den Arbeitgebern gleich, den Mindestlohn zu umgehen“ Mit diesen Worten wird Stefan Körzell vom DGB-Bundesvorstand zitiert.

»Auch die Gewerkschaft der Polizei hält Kontrollen für wichtig. "Bis die zusätzlichen 1600 Stellen mit ausgebildetem Personal ausgestattet sind, vergehen einige Jahre", sagte Frank Buckenhofer, Vorsitzender der Bezirksgruppe Zoll in der Gewerkschaft der Polizei (GdP), dem Tagesspiegel. "Zumal jetzt gerade 320 neue Kolleginnen und Kollegen wegen der Flüchtlingsbetreuung zur Bundespolizei und zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgeordnet werden sollen.«

Der Zoll ist personell seit Jahren unterbesetzt. Das war und ist schon für die eigentlich notwendigen Mindestlohn-Kontrollen, die ja seit Anfang des Jahres als zusätzliche Aufgabe hinzugekommen sind, ein Problem. Aber die Finanzkontrolle Schwarzarbeit würde ja weitere Aufgaben bekommen, wenn es gelingen sollte, immer mehr Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren - denn seien wir realistisch, diese Personengruppe wird sicher nicht an vorderster Front stehen (können), wenn es um die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzrechten geht.

Der Artikel von Cordula Eubel und Alfons Frese liefert auch einige statistische Informationen zum Thema Mindestlohn-Kontrollen (vgl. dazu auch genauer die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke zum Thema "Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns":

»Bis Ende Juni wurden bundesweit 24.970 Betriebe überprüft. Insgesamt wurden in dem Zeitraum 297 Verfahren eingeleitet. Zu 146 Verfahren kam es, weil das Arbeitsentgelt nicht oder nicht rechtzeitig gezahlt wurde. Weitere 134 Verfahren wurden aufgenommen, weil die Aufzeichnungen fehlerhaft waren oder nicht vorlagen.«

Und etwas differenzierter erfahren wir:

»Die meisten Verstöße gegen das Mindestlohngesetz hat es ... bisher im Hotel- und Gaststättenbereich gegeben. Nach 3817 Überprüfungen wurden dort bis Ende Juni 141 Ordnungswidrigkeitenverfahren nach dem Mindestlohngesetz eingeleitet ... Im Bau hingegen konnten die Prüfer trotz intensiver Kontrollen nicht annähernd so viele Verstöße feststellen (10.120 Überprüfungen, 17 Verfahren). Weitere Kontrollschwerpunkte waren die Speditions- und Transportdienstleistungsbranche (1394 Überprüfungen, 15 Verfahren) sowie der Bereich der Arbeitnehmerüberlassung (514 Überprüfungen, keine Ermittlungsverfahren).«

Ergänzend sollte man darauf hinweisen, dass das auch im Zusammenhang gesehen werden muss mit weiteren Aufgaben für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die bereits in der Pipeline sind. Erinnert sei hier daran, dass es im Herbst noch eine gesetzliche Regelung die Werkverträge betreffend geben soll (vgl. dazu auch den Beitrag Outsourcing mit Folgen: Werkverträge im Visier. Die IG Metall versucht, den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen vom 1. September 2015. 

Schaut man in den Koalitionsvertrag von Union und SPD aus dem Dezember 2013, dann wird man mit dieser Zielsetzung konfrontiert, die nun gesetzgeberisch umgesetzt werden soll:

»Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen verhindern
Rechtswidrige Vertragskonstruktionen bei Werkverträgen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern müssen verhindert werden. Dafür ist es erforderlich, die Prüftätigkeit der Kontroll- und Prüfinstanzen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu konzentrieren, organisatorisch effektiver zu gestalten, zu erleichtern und im ausreichenden Umfang zu personalisieren, die Informations- und Unterrichtungsrechte des Betriebsrats sicherzustellen, zu konkretisieren und verdeckte Arbeitnehmerüberlassung zu sanktionieren. Der vermeintliche Werkunternehmer und sein Auftraggeber dürfen auch bei Vorlage einer Verleiherlaubnis nicht bessergestellt sein, als derjenige, der unerlaubt Arbeitnehmerüberlassung betreibt. Der gesetzliche Arbeitsschutz für Werkvertragsarbeitnehmerinnen und -arbeitnehmer muss sichergestellt werden.
Zur Erleichterung der Prüftätigkeit von Behörden werden die wesentlichen durch die Rechtsprechung entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen ordnungsgemäßen und missbräuchlichen Fremdpersonaleinsatz gesetzlich niedergelegt.« (S. 49)

Wie (und ob überhaupt) auch immer das Bundesarbeitsministerium die Abgrenzungskriterien zwischen "guten" und "schlechten" Werkverträgen hinbekommt - auf alle Fälle sollen die Kontroll- und Prüfinstanzen sollen bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit angesiedelt und konzentriert werden. Vor dem allgemeinen Hintergrund der gegebenen und der erwartbaren Personalsituation wird das keine wirklichen Ängste auslösen (müssen) bei denen, die sich nicht korrekt verhalten (werden).